Ordonnanz Revolver 1878 der Schweizer Armee

Und hier zum ersten Schuss nach der Restauration.                                               letzte Bearbeitung 18.4.2016

Eine kleine Restauration eines grossen Revolvers

Dieses Stück schätze ich als selten ein. Zum Einen wurden von den 1878er nur knapp 6000 Stück gebaut, zum Anderen, weil vernickelte Exemplare noch seltener sind. Gemäss den gefundenen Spuren war dieses Teil schon im Auslieferzustand vernickelt. Dieser Nickel hat aber offenbar nicht gehalten und so wurde später leider eine zweite, nicht so professionelle Vernickelung angesetzt und dabei wurde dann etwas grob hantiert, gekratzt und geschliffen. Aber auch diese Nickelbeschichtung hielt offenbar nicht recht und erneut wurde partiell geschält, gescheuert und gekratzt. Diese Spuren lassen sich heute einfach nicht mehr unsichtbar machen. Schliesslich will ich ja nicht schleifen bis nix mehr da ist. Durch rubbeln mit einer fein geschliffenen Hartmetallwelle und nachpolieren, kann ich vor allem einige rippelige Kanten etwas glätten. Irgendwann muss ich es aber einfach gut sein lassen. Schliesslich gibt es noch andere Kleinigkeiten die Funktion und das Erscheinungsbild erheblich stören. Glücklicherweise konnte ich von einem Schützenkameraden ein 1878er Leih-Exemplar bekommen. Damit konnte ich die Originalteile für den Nachbau auszumessen und im Fall der rechten Griffschale sogar als Formvorlage benutzen. Erst viel später habe ich dann ein Manual entdeckt, das sogar vermasste Detailzeichnungen enthält.

1.     1. Griffschale kaputt - - - was tun? Griffschale herstellen oder reparieren.
Wer diesen Bericht in Waffenwelt.de bereits gelesen hat, kann in der Spalte rechts bei Punkt 2 weiter machen.
Für die rechte Griffschale, ist eine Lösung zu suchen. Ersatzteile = Fehlanzeige. Diese Ersatzteillager existieren auch beim Schweizer Militär schon lange nicht mehr.
Am liebsten hätte ich zwei Nussbaum Holzgriffe gefertigt aber im Gegensatz zum 1872, wurden meines Wissens Ordonnanzrevolver 1878 nie mit Holzgriffen ausgeliefert.

Es stellt sich nun die Frage: Wiederherstellen oder Neuguss?
Diese Griffschalen sind im Original aus Hartgummi in einem angenäherten schwarz. Für mich wäre Hartgummi, bestenfalls aus einem Stück spanabhebend zu fertigen, Bakelit genauso. Bei beiden Materialien ist in der heutigen Zeit schwierig, ein genug grosses Stück als Rohling zu beschaffen. So beschloss ich wegen obigen Bedenken, einen Versuch mit einem um Jahrzehnte jüngeren Kunststoff zu versuchen und die rechte Schale als Ganzes neu zu giessen.
Vorgehen:
1. Das Internet nach diversen giessfähigen Kunststoffen abzusuchen und dann, wo bekommt man das Zeug her?
2. Man suche sich einen Kameraden der ein solches, zu kopierendes Objekt sein Eigen nennt und frage ihn, ob man besagte Griffschale als Leihgabe und Vorlage für die Erstellung einer Gussform bekommen könne. Andernfalls Reststücke als Vorlage nehmen und kreativ ergänzen.
3. Dann beschaffe man teures 2K-Formsilikon oder eine billige Patrone Silikon-Dichtmasse vom Baumarkt für € 1.99, braucht halt eine Nacht zum Trocknen. Die Erklärung, wie man Negativ-Formen herstellt überlasse ich denen die das bereits gefilmt und in Youtube bereitgestellt haben. Es gibt haufenweise Beispiele und Vorgehensweisen. Ich nahm mir diese Vorgehensweise als Vorlage. Die Hälfte Spühlmittel reicht aber auch: https://www.youtube.com/watch?v=8yEOI7JNUAk.
4. Man beschaffe im Baumarkt beim Autozubehör ein 2K Harz Reparatur Set, inkl. ein Stück Glasfaser-Stoff (knapp 10€). Nun ist diese Ware ja farblos, ich möchte aber eine schwarze Griffschale machen. Ich habe dann zwei drei Reststücke Holzkohle aus dem Ofen gekrallt und sie mit der Drehraffel für Reibkäse geraffelt, dann mit einem Kaffeesieb gesiebt und dieses Pulver im Mörser fein gerieben. Kohle ist ja grundsätzlich Natur pur, farbecht und nicht giftig. Ach ja warum CH und in €? Die nächsten Baumärkte liegen gleich über der Grenze in DE.
Arbeiten:
Harz und Härter in geeigneter Menge mischen und erst dann das Kohlepulver nach farblichem Gutdünken dazu geben. Das mit dem Kohlenschwarz kann ich wirklich empfehlen, das Aussehen ist für eine Griffschale perfekt und sollte sich Abrieb ergeben ist nicht nur die Oberfläche schwarz.
Achtung Mischfehler vermeiden: Bei meinem ersten Versuch habe ich zuerst das Kohlepulver mit dem puren Harz gemischt und erst danach den Härter beigefügt. Das war ein Fehler! Dies führte dazu dass das Stück zwar sofort gut aussah, aber auch nach Tagen noch klebrig und nicht ganz hart war. Dies weil sich wohl die Kohlenpartikel mit dem ungehärteten Harz vollgesogen und dann eben fast ohne Härter nur sehr langsam aushärteten. Das Ding war zwei Wochen bei ca. 30-40° im Kachelofen und wurde zwar täglich besser, war aber immer noch leicht klebrig. Zudem zeigte sich heftiger Materialschwund und es bildeten sich Risse. Zum Glück habe ich zwei Stücke Glasmatte in die Form eingelegt, so blieb die Festigkeit erhalten.
Das Gussstück liess sich problemlos aus der Silikonform entfernen. Ein Nacharbeiten ist natürlich nötig um die Schale letztendlich passgenau zu machen. Ich rate Randzonen und Ecken grosszügig zu gestalten, damit eher etwas zu viel Material da ist als benötigt wird. Das Endproduckt lässt sich gut Spanabhebend mit Feile und Schleiftuch bearbeiten. Es ist einfacher vorstehendes Material weg zu feilen, als einem fehlenden mm nachzutrauern.
Dann entschloss ich mich sogar, die durch das Kopierverfahren geschwächte Struktur der Fischhaut mit einer dreikantigen Schlüsselfeile nachzurillen.
Die Schlussbehandlung: Die Griffschale mit einem Wolllappen und ein paar Tropfen Lederöl einreiben. Sofort wird das tiefschwarz wieder präsent.

Das Resultat:
Nicht wirklich schön, nicht mehr original, zu modernes Material, ein befriedigendes aber nicht berauschendes Resultat. Aber viel besser als Nichts. Ein nächste Versuch würde sicher noch etwas besser kommen.
Und jetzt - - ?
Nach dem wie vorher beschrieben, ein einigermassen akzeptabler Neuguss entstanden ist, was soll nun mit dem alten Originalteil geschehen.
Man könnte doch auch hier ein geeignetes Fehlstück an das Originalteil pflanzen.

2.    

Schlussendlich entschloss ich mich, auf Grund der gemachten Erfahrungen mit dem Polyester-Set, der defekten Originalschale eine Ecke aus meinem Kohle-Polyester anzugiessen und die Oberflächenstruktur harmonisch zu ergänzen. Schliesslich liegt ja das „Übungsstück“ bereits hinter mir.

Los geht’s: Die alten Flickreste müssen weg operiert werden. Um eine Haftbrücke zu bekommen, bohre ich 4 x 2mm Löcher stirnseitig in die Bruchkante der Schale. 4 Schräubchen (hochwertige Alulegierung aus einem demontierten Harddisk) werden halb eingeschraubt, so bilden die Schraubenköpfe wie Pilze 4 Haltepunkte im neuen Material. Dann mit einem Laminierten Papier eine Aussenschalung formen und mit Klebstreifen um die Schale befestigen. Harz mischen, eingiessen und warten. Dann auspacken und spahnabhebend nach bearbeiten. Mit feinen Schlüsselfeilen ziehe ich die Fischhautstruktur weiter, so gut wie es halt mit einer Dreikant-Schlüsselfeile geht und ich es fertig bringe. Dann wieder eine Lederölung und sofort sieht das besser aus als das neue Gussteil. Fast wie ein museal präpariertes Tongefäss präsentiert sich nun diese Griffschale, funktionell perfekt und akzeptabel schön. Gefällt mir besser als die bereits rissige Harzkopie und mit dem geringen Farbunterschied kann ich gut leben.

2. Das Gerät war anfänglich nicht Schussfähig, weil die Trommel nicht sauber verriegelte. Es gibt vom Stoppzahn Schleifspuren auf den Stoppanschlägen. Die Kerben zeigen es, dieser Revolver hat nicht so viele scharfe Schüsse tun dürfen, aber da wurde wohl heftig leer „gekäpselet“ und in Westernmanier die Trommel rotiert, rrrr rrrr. Nun wird die Patrone in der Trommel beim Weiterschalten nicht mehr zuverlässig vor dem Lauf fixiert, weil statt einer sauberen Anschlagfläche ein kleiner Graben den Stoppzahn mindestens bei Dubleaction-Betrieb vorbei gleiten lässt. Die Trommel wird zwischen den Lederbacken im Schraubstock eingespannt, dann kann ich mit einem 3mm Durchschlag das weggestrichene Material etwas zurücktreiben. So dass nun wieder ein sauberer Anschlag stoppt und die Trommel wieder zuverlässig vor dem Lauf steht. Das reicht für singleaction Einzelschuss mit einrastkontrolle vor dem Schuss. Das wird so kein jekami tauglicher Revolver mehr sein. Aber man darf einem 137 jährigen Oldtimer schon ein Wehwehchen zugestehen.

3.    3. Die Schwenk-Schraube Teil (M) vorne unten für die linke Seitenwand ist ein grober Stilbruch und passt wie eine Faust auf’s Auge. Die fehlende Rundkopfschraube wurde durch eine pfui-moderne Inbusschraube M5 ersetzt, was aber weder mechanisch noch optisch richtig passt, war aber besser als "nüt". Es fehlt der Ansatz und wirkt geflickt. Aus einem 10mm Stahlstück beginne ich zu drehen. 5mm Gewindezone, 6mm Ansatz und 8mm Kopfzone. Das Originalgewinde ist ein 5x1mm Gewinde. Ein normales M5 hat eine Steigung von 0,8mm/Umgang. Einen Gewindeschneider 5x1mm besitze ich nicht und an meiner Drehbank gibt es keine Zugspindel. So ist wieder einmal gute Improvisation gefragt.
Auf die frisch gedrehte 5mm-Gewindezone schneide ich mit einem M6mm Schneider vor. Das gibt eine ganz feine Rille mit der richtigen 1mm-Steigung. Dann heisst es, der Rille nach Gewindefeilen. Eine Erleichterung bietet dabei eine Gewindefeile, die gegen Schluss mehrere Rillen im korrekten Abstand gleichzeitig raffelt und schönt. Den Schraubenkopf forme ich mit freihändiger Feile am schnell drehenden Stück. Nun noch den Schraubenschlitz sägen. Ausgenommen dem Gewinde sieht die Schraube gut aus, das Gewinde gefällt mir aber nicht so richtig, passt aber und zieht einwandfrei.

4.    4. Unten am Griffboden fehlen Pivot mit Ring (Bezeichnung gemäss Manual Teil C). Das heisst, es war zwar etwas da, das war aber nur ein ähnlich aussehendes Velo Ersatzteil für den Bremskabelzug, fest verschraubt und ohne Ring.(sichtbar auf Bild 6) Aus gleichem 10mm Stahlstück wie für die Schraube geht es wieder an die Drehbank. Zuerst der 6mm Ansatz. Dann umdrehen, am Schaft einspannen und es entsteht eine V-Rille und zwei Trapez-Flächen als Vorbereitung für den Rundkopf. Der Rest wird wieder mit der freihändig geführten Feile im schnelldrehenden Spannfutter der Schleifmaschine kugelförmig geformt. Hinten noch den Ansatz feilen, die Löcher für das Gewinde und den Ring bohren und das M3 Gewinde der Sperrschraube schneiden. Zum Schluss mit feinem Schleiftuch etwas vorpolieren.
Der Ring. Ein neuer 80er Nagel bekommt eine neue Bestimmung. Er darf, statt nach wenigen Schlägen im Holz zu verschwinden, auf Dauer ein prominent sichtbares Teil werden. Zuerst schnelldrehend die Oberfläche mit feinem Schleiftuch vorpolieren. Schon ist es eigentlich kein Nagel mehr, sondern ein schön glänzendes Stängeli mit einem Nagelkopf. Dann im Schraubstock gespannt um einen 12mm Dorn herumformen und mit einem Sägeschnitt die Spitze und den Kopf abtrennen. Nun wird das Wendelartige Teil in die Öse eingefädelt und zu einem flachen Ring begradigt. Zuletzt noch die Endpolitur der 3 neuen Teile an der Filz- und Schwabbelscheibe.

 

5.    5. Der Trommelabstand ist etwas zu gross. Die Lösung, eine aufgelötete Messingscheibe die ich zuvor auf Mass gedreht habe.


6.
Der Finisch: Das ganze Militärgerät präsentiert sich jetzt zwar durchgehend silberweiss glänzend. Aber es ist nicht alles Nickel was glänzt. Nun möchte ich die heikelsten Teile, die Fingerkontakt bekommen mit thermischer Brünierung ein Oberflächenschutz geben und wie damals oft gebräuchlich, bei Einzelteilen etwas Farbvarianten entstehen lassen. Der Hammer, der Abzug, die Ausstoss- und die Trommelachse, der Bereich Abzugbügel, die Schwenkschraube und der untere Griffboden sowie das neue Pivot mit Fangring bekommen Anlauffarben. Die gerippten Flächen an der Trommel vorn sowie Korn und Visier werden chemisch brüniert.

Mein Anspruch: Das Gerät soll wieder ein einigermassen angenähertes originalaussehen bekommen und muss schiessbar sein. Das Dornröschen bekam am Dienstag 21. April 2015 seinen 10.4mm Schwarzpulver Weckschuss.
Eigentlich ist es nun ein Anschauungsobjekt mit dem man auch singleaction schiessen kann. Die Dubleaction-Funktion ist nicht anwendbar, es
besteht Gefahr, dass die Trommel beim Autodrehen nicht sauber verriegelt wird.
Zu den Bildern: Es gibt zwei grafische Darstellungen aus dem original Reglement von 1878


Munition 10.4mm Schwarzpulver

Herstellung von passender Munition 10.4mm

Als Basis dient z.B. die Hülse .41Magnum. Diese Patrone wird z.B. in der Drehbank verkürzt auf 20mm, was dann dem Originalmass entspricht. Mein Geschoss ein selbst gegossenes 12.4 Gramm Bleigeschoss. (orig.12.5g) Als .44er Geschoss gegossen und durch eine konische Matrize auf .41 herunterkalibriert.



Die Ladung 0.9Gramm (orig.1g) SW-Pulver Nr1. Zündhütchen passend zur Hülse aber nicht Magnum. So entsteht eine dem Original fast identische  Patrone. Schmierung ein warm aufgebrachter Fettmantel. Lediglich der Papiermantel fehlt. Die gute Alternative ist eine MCC-Beschichtung, dann ist auch kein Fettmantel mehr nötig.

 

 


Bildergallerie.

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